Dünnschliffanalyse

RADIUS ist eine am Institut für Geowissenschaften (Seelos, 2004; Seelos & Sirocko, 2005) entwickelte Partikel-Messmethode, die auf numerischen Analysen polarisierter Dünnschliffaufnahmen basiert. Die Routine gliedert sich in drei Einzelmodule.

Die ersten Stufen (RADIUS-1 und RADIUS-2 - AnalySIS Makroskripts, Seelos & Dietrich 2002-2009, unpubliziert) dienen zur automatisierten Aufnahme von polarisierten Dünnschliffbildern und zur Auswertung/Vermessung der Einzelpartikel in diesen Präparaten (AnalySIS Five - Olympus GmbH, Deutschland). Das Hauptmodul RADIUS-3 ist ein numerisches Analyseprogramm (Seelos, 2004; Seelos&Sirocko, 2005; Seelos et al., 2009) zur statistischen Auswertung von Partikel-Kenngrößen. Gekoppelt an das Analyse-Programm ist eine Mustererkennungs-Routine zur Identifikation von Sedimentationsevents in RADIUS-3 integriert.

Digitale Dünnschliffaufnahme

Die Dünnschliffe werden schrittweise auf einem vollautomatisierten Polarisationsmikroskop (Olympus BX-51, Abb.1a) mittels digitaler Mikroskopkamera (SiS Colorview II) aufgenommen. Das Scannen der polarisierten Einzelbilder wird bei 20-facher Vergrößerung durchgeführt. Ein kompletter Scandurchgang umfasst 40 Einzelaufnahmen, die anschließend zu einem Gesamtbild des Schliffes zusammengefügt werden.

Farbdetektion und Vermessung von Partikeln

Polarisierte Dünnschliffbilder bilden die Grundlage zur Farbdetektion von Partikeln (Identifizierung/Erkennung von Farbflächen in digitalen Bilddaten, Abb.1b). AnalySIS, gesteuert über das RADIUS-2 Modul, nutzt diese Farbunterschiede zur automatisierten Erkennung der Komponenten im Dünnschliff.
Im Modul sind für die Auswertung der 10cm-Dünnschliffe 1000 ROIs (Region of Interest) fest definiert - daraus resultiert eine Probenauflösung der RADIUS-Analyse von 100 µm. Das Klassifikationsmodul in AnalySIS ermöglicht dem Anwender eine Vielzahl von unterschiedlichen Analyseparametern, die allesamt auf einem errechneten Partikeldurchmesser beruhen, dem sogenannten ECD (ECD = Equivalent Circle Diameter).

Numerisches Partikelanalyse-Programm: RADIUS-3a ist ein numerisches Analyse- und Mustererkennungsprogramm (basierend auf der Programmiersprache Matlab, Seelos 2002-2009). Die Applikation berechnet statistische Kenngrößen (Perzentile, diverse Sortierungsparameter usw.) aus den importierten Datensätzen und stellt sie grafisch dar. Der finale Datensatz nach der Analyse umfasst 18 statistische Kenngrößen pro Farbphase (Abb.1c).

Numerische Mustererkennung zur Identifikation von Sedimentationsevents

RADIUS-3b ist eine numerische Mustererkennung zur Erfassung von Turbiditen, äolischen Sedimenten, Tephren und organischen Komponenten (Abb.1c und Abb.2). Das Modul überprüft alle Datensätze der Partikelanalyse auf typische numerische Muster, die eine Unterscheidung in die oben erwähnten Events zulassen. Gleitende Gradientanalysen und Korrelationskoeffizienten werden beispielsweise zur Unterscheidung von Turbiditen und Staublagen eingesetzt. Ermittelte Korrelationskoeffizienten und Gradienten liegen im Wertebereich zwischen -1 und +1. Eine komplette Event-Detektion umfasst pro Dünnschliff 200 Durchgänge mit insgesamt 53 Einzelalgorithmen pro 500-µm-Segment (siehe Abb.2 – Tabelle der Detektionsalgorithmen). Hohe Übereinstimmungen mit den jeweiligen Events (Turbidit, Staub/Löss, Tephra, Organik) spiegeln sich grafisch in großen Amplituden der Detektionsergebnisse wieder. Die Abbildung X unten zeigt die Detektionsergebnisse des Referenzbildes (künstlicher Dünnschliff, Abb.1c).

Anwendung und Ergebnisse

In der Geologischen Karte des Projektgebietes sind alle, für die Datenreihen erforderlichen Bohrlokationen eingetragen. Abb.4 zeigt die komplettenZeitreihen der RADIUS Staub- und Organik-Detektionen für die Eifel der letzten 132.000 Jahre (Abb.4c, e). Diese Zeitreihe baut sich aus den Detektionsergebnissen von insgesamt vier Bohrungen zusammen (SM3 – Schalkenmehren; De3 –Dehner Maar; OW1 – Oberwinkler Maar; HL2 – Trockenmaar westl. des Hohe List, Abb. 4f). Eine Vergleich des Datensatzes mit den Ergebnissen der Eiskerndaten NorthGRIP 18O- und der NorthGRIP Micropartikel-Kurve (Abb.4a, b) zeigt im gesamten Verlauf eine hohe Übereinstimmung zwischen Klimadaten und Staubtransport. Während der stärksten Vereisungsphasen (MIS 2 und MIS 4) des letzten Glazials sind langanhaltende, kontinuierlich auftretende Staubeinträge in die Eifelmaare nachweisbar (Seelos et al., in press.). Zeitgleich ist die Anzahl der Mikropartikel (< 2 µm) pro Volumenseinheit im grönländischen NorthGRIP-Eiskern deutlich erhöht - Indiz für ein großräumiges, vom Nordatlantik geprägtes Klimasignal in Zentraleuropa. Die beiden Kaltevents (C24 und C23 in der NorthGRIP d18O - Kurve) unmittelbar im Anschluss an die letzte Warmzeit (MIS 5e) sind ebenfalls die initialen Ursachen für erhöhte Staubeinträge in die Maare der Eifel. Zudem konnte eine erhöhte Sturmaktivität speziell im Kaltevent C24 mit Radius-Analysen nachgewiesen werden (Abb. 4d).

Mittels neu entwickelter Radius-Algorithmen zur Karbonat-Detektion, konnte für den De3-Bohrkern ein Provenanzanalyse zur Rekonstruktion von Windrichtungen im Zeitraum 41.000 – 12.800a BP durchgeführt werden (Abb.5 – De3 Sedimentkern). Die Lage des Dehner Trockenmaares westlich eines ausgeprägten Karbonatgürtels (Abb.3 – Geologische Karte) ermöglicht die Rekonstruktion der Windrichtungen auf Basis der äolisch transportierten Karbonatpartikel (Abb. 5 – Ostwind Sedimente). Besonders in sehr kalten und trockenen Phasen (Heinrich Events und LGM – Last Glacial Maximum) ist eine erhöhte Ostwindaktivität nachweisbar (Dietrich & Seelos, subm.).

Referenzen

Seelos, K. & Sirocko, F. (2005). RADIUS - Rapid Particle Analysis of digital images by ultra-high-resolution scanning of thin sections. Sedimentology, 52, 669-681.
Seelos, K.; & Sirocko, F. (2007). Abrupt cooling events at the very end of the last interglazial. In: Sirocko, F., Claussen, M., Sànchez Goñi, M.F., Litt, T. (Eds.). The climate of past interglacials. Developments in Quarterny Science 7, Elsevier. p. 207-229.
Seelos, K., Sirocko, F., Dietrich, S. (2009,in press): A continuous, high resolution dust record for the reconstruction of wind systems in Central Europe (Eifel, Western Germany) over the last 133 ka, Geophysical Research Letters.
Dietrich, S. & Seelos, K. (2009 subm.): The reconstruction of paleo wind directions for the Eifel region (Central Europe) during the period 41 - 13 ka BP.